Samstag 14. Juli 1990:
ZAKYNTHOS


Heute will ich die Insel in Richtung Norden erkunden. Kaum liegt die Stadt hinter mir, bestimmen zahllose Olivenbäume die Landschaft. Auf dieser Seite der Insel ist das Land flach und die vielen kleinen Hotels und Gästehäuser zeigen, dass auch hier die Zeit doch nicht stehengeblieben ist. Vor allem im Süden gibt es schöne weite Sandstrände, die jedes Jahr unzählige Touristen nach Zakynthos locken. Für die Bewohner ist das ein Segen, der ihnen Arbeit  und Reichtum beschert hat. Bis jetzt ist alles gut. Noch hat sie das schnelle Geld nicht verdorben. Noch sind aus den kleinen Gästehäusern keine Bettenburgen geworden – wie lange noch?

 
   
Kaum liegt die Stadt hinter mir, bestimmen zahllose Olivenbäume die Landschaft.

Hinter alten Salinen, aus denen vermutlich längst kein Salz mehr gewonnen wird, biegt die Hauptstraße wieder in den Gebirgszug ein, der die Insel im Westen durchzieht. Runde, von flachen grünen Sträuchern bedeckte Hügelkuppen, erinnern mich an die kühlen Höhenzüge Schottlands. Zuerst begegnen mir nur vereinzelte Häuser am Straßenrand und dann erreiche ich eines der verstreut liegenden Dörfer.

Auch hier scheint das alte Griechenland noch lebendig. Ein Kafenion, dessen Mobiliar bei uns „Gerümpel” heißt, ist der ideale Platz für eine kurze Rast. Es sind die Gegensätze, die diesem Dorf eine ganz eigenartige Stimmung geben. Ein deutscher Gast ist hier oben immer noch nicht alltäglich, das deutsche Fernsehen aus der Satellitenschüssel aber mit fünf Programmen längst da.

Trotzdem ist dies eine durch und durch griechische Insel. Aus Allem strahlt Ruhe. Kaum gestört von den Mopeds, mit denen die überwiegend britischen Badegäste aus den Strandhotels zu einer kurzen Stippvisite durch den Ort knattern. Die alten Männer, die tagein, tagaus vor dem Kafenion sitzen, schauen diesem Treiben gemächlich zu. Sie brauchen sich nicht zu hetzen. Von ihnen kam noch niemand zu spät. Aber diese Insel hat zwei Gesichter. Die jungen Griechen sind auch hier schon ganz anders. Zwei Welten in jeder Familie.

Nach vielen Kilometern hat auch dieser Tag ein Ende und ich kehre wieder in die laute Welt der Inselhauptstadt zurück. Der Blick vom schönen Dachterrassen-Restaurant meines Hotels ist nach Einbruch der Dunkelheit besonders reizvoll. In Gedanken versunken sitze ich lange da und genieße den warmen Sommerabend. Im Hafen gleiten lichterübersät weiße Schiffe lautlos heran, während aus den Lautsprechern an der Bar Michael Jackson und Tina Turner ihre Rhythmen in die Bucht hinausdröhnen



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